Ein mörderischer Hüftschwung
Die Sixties - erinnert sich jemand daran? Nein? Eigentlich ist das auch besser so: Mode, die nur unter Drogeneinfluss zu ertragen ist, Musik, die sowas von Trash ist, das sie eigentlich schon wieder gefällt und nicht zuletzt diese Hochfrisuren - damals hätte man Aktien von Haarspray-Herstellern haben müssen. Nicht zu vergessen unser hochverehrter Aussenminister, der in der Zeit ja gerne Steine geschmissen hat - und was der wohl gemacht hätte, wenn er Cate gegenübergestanden wäre - hoffentlich wär er gerannt, ganz weit. Die gute Cate fackelt nämlich nicht lange!
Aber wer ist Cate? Cate Archer? Nie gehört, den Namen dieser Dame? Ihr kennt nur Lara? Dann mal flugs weiterlesen, denn Cate ist doch bedeutend cooler, witziger und - ähem, hüstel - auch mit bedeutend mehr Sex-Appeal gesegnet als Lara. Obwohl ich da ja eigentlich nicht mitreden kann, denn der gute Pierce Brosnan... lassen wir das.
Also Cate Archer - die Super-Spionin und letzte Hoffnung vom britischen Geheimdienst, der seltsamerweise UNITY heisst. Als Frau nicht ernstgenommen, aber die letzte Hoffnung der Vorgesetzten, bekommt sie den Auftrag eine Verschwörung der Terroristengruppe H.A.R.M. aufzudecken und vor allem auch den Maulwurf in den eigenen Reihen zu finden. Gesegnet mit allerlei Ausrüstung, einem eindeutig zu kurzen Minirock, einer ebenfalls eindeutig zu grossen Klappe und ordentlich Humor macht sie sich dann auch auf den Weg und arbeitet sich bis zum Schluss durch. Da die Entwickler viel zu viel Bond-Filme gesehen haben, bereist Mrs. Archer dann auch die halbe Welt und natürlich besonders die Gegenden, wo ja Terroristen sitzen müssen: Marokko, die Karibik oder Ost-Berlin, diverse Geheimbunker und undurchsichtige Firmenkonglomerate. Natürlich darf eine Raumstation nicht fehlen und die wohl nicht zu verhindernden Schauplätze in den USA oder London. Und wenn man sich schon in Deutschland herumtreibt, dann bitte klischeegemäß im Hamburger Hafen, auf dem Oktoberfest oder zu guter letzt in einem riesigen Schloß in den Alpen - das heisst übrigens nicht "Castle Wolfenstein", auch wenn es so aussieht.
Netterweise wird die arme Cate nicht einfach so auf die Bösen der Welt losgelassen, sondern erst nach einem ausführlichen Briefing und einem Besuch bei dem Doppelgänger von "Q". Und diese Jungs erfinden sehr interessante Waffen: explosive Lippenstifte, Sonnenbrille mit Kamera, Minendetektor und Zoom, diverse Parfüms zum einschläfern oder zur völligen Beseitigung anderer. Sehr hübsch auch das "Körper-Entfernungs-Puder" - der armen, zierlichen Cate kann doch nicht zugemutet werden, erlegte Körper in dunkle Ecken zu schleppen. Man merkt schon: Hier wird alles nicht so wahnsinnig ernst gesehen. Lustige Gimmicks, kreischbunte Farben, völlig überzeichnete Figuren und durchaus amüsante Wortwechsel, die man belauschen kann sorgen für Amüsement. Ernsthafte Weltretter sind hier falsch - aber vielleicht können sie was lernen - z.B. über den Einfluss von Bier auf die Sozialisation benachteiligter Randgruppen...
Soweit zum durchaus angenehmen äusseren und den hübschen Innovationen dieses Spiels. Leider wurde daraus dann nicht allzuviel gemacht - warum die Hersteller nicht noch eine Ecke weitergedacht haben, ist mir schleierhaft. Vielleicht sind die bewusstseinserweiternden Substanzen ausgegangen? Was hätte man aus diesem Spiel machen können - ein richtig gutes Action-Adventure mit diversen Knobeleien, Puzzles und Aufgaben. Was ist draus geworden? Leider nur ein reinrassiger Ego-Shooter mit kleineren Sneak-Einlagen. In jeder Mission geht es eigentlich nur den geraden Weg entlang, alles wird aus dem Weg geräumt, was einem vor die Knarre kommt oder still und leise umgangen. Viel zu selten muss sich Cate das hübsche Köpfchen zerbrechen, was sie jetzt eigentlich machen muss - sollte es wirklich mal zwei Wege geben, stossen sie wenige Sekunden später wieder zusammen oder erweisen sich sofort als Sackgasse. Verlaufen kann man sich wirklich nicht und von Entscheidungsfreiheit kann auch keine Rede sein - schade. Wenigstens sind ganz wenige Sonderaufgaben - teilweise unter Zeitdruck - eingestreut, die etwas Abwechslung bieten, so z.B. die Suche nach einem Fallschirm, während die arme Cate schon im freien Fall der Erde entgegenrast...
Nein, der Spielverlauf ist alles andere als spektakulär, eben ein klassischer Ego-Shooter. Das Drumherum ist es, was den Charme dieses Spiels ausmacht: die gekonnte Athmosphäre, bei der wirklich auf jede Kleinigkeit geachtet wurde, das nette Outfit der Personen, die passenden Waffen und diverse Veräppelungen verschiedener Klischees (wenn man schon Inge Wagner heisst, muss man ja auch so aussehen, nicht? Oder dieser rothaarige Schotte im Kilt). Nicht zu vergessen die zahlreichen EasterEggs - die kommen so oft vor, das man die eigentlich schon gar nicht mehr so nennen kann. Einfach auf das hervorragende Leveldesign achten und freuen. Aber bitte dann nicht die eigene Wohnung hinterher genauso ausschmücken.
Grafik:
Ich gebe ja zu, dass ich vorher noch nie was von dieser Lithtech-Engine 2.5 gehört hatte - so gut kann die dann ja wohl nicht sein, wenn sich kein Mensch dafür interessierte. Nee, die ist sogar richtig gut - bis auf ein paar wenige, grobe Klötze bietet sie einen sehr hübschen Anblick und ist äusserst detailreich. Davon würde ich gerne mehr sehen! Die zahlreichen eingestreuten Videosequenzen bieten dasselbe hübsche Bild, verraten aber auch zuviel von der Story. Aber von diesem hübschen Bild können sich manche andere Spiel durchaus mal inspirieren lassen. Erledigte Gegner stürzen spektakulär die Treppe hinunter oder über den Balkonrand, bewegen sich bei ausgelöstem Alarm völlig anders und sind sowieso hervorragend animiert - das geht bis zu hochgezogenen Augenbrauen. Und bitte einmal mit einer Harpune auf jemanden schiessen, der direkt an einer Wand steht - richtig, der arme wird geradezu festgenagelt. Gut gemacht. Ach, fast hätte ich vergessen: für leistungsstärkere Rechner gibt es noch einige sehr hübsche zusätzliche Grafik-Optionen zum einschalten. Die sind im Options-Menü aber sehr gut versteckt.
Sound:
Ja, mehr... groovy, sexy und cool. Weil man ganz automatisch hinter der Tastatur mitwippt, geht schon mal ein Schuss daneben - und die versteckten Titel auf CD2 sind ein besonders hübsches Gimmick. Nicht zu vergessen die Auswirkungen auf das Spiel: es ist von Bedeutung, ob Cate über Teppich oder über Steinboden läuft oder ihre Waffe in Nähe von Wachen nachlädt. Sehr hübsch auch die Möglichkeit, diese Wachen mit einer geworfenen Münze abzulenken.
Steuerung:
Wie jeder anständige 3D-Shooter: Maus und Tastatur mit einigen, leider manchmal unlogischen Hotkeys. Wer sich aber unbedingt mit Joystick oder GamePad herumschlagen möchte, kann das auch. Aber warum sind die Hotkeys anders belegt als im Handbuch beschrieben? Wie schön, das man das ändern kann.
Unterhaltung:
Bestens. Dieses Design, die überzeichneten Figuren, die manchmal amüsanten Dialoge - das ist schon schön. Besonders die zahlreichen EasterEggs sind klasse. Und unbedingt die Credits bis zum Schluss durchlaufen lassen - da kommt noch eine witzige Drohung. Wie gerne würde man einfach in der Gegend herumlaufen und sich alles ansehen - aber nein, die wenigen neutralen Personen bleiben nach einmaliger Aktivierung einfach dumm in der Gegend stehen.
Herausforderung:
Eigentlich muss man nur ballern und ein wenig geschickt schleichen können. Mehr ist nicht. Jedenfalls verhalten sich die Gegner richtig intelligent: sie geben sich Deckung, kippen Tische um, damit sie dahinter Schutz suchen können...
Spieltiefe:
Man fühlt sich schon mittendrin - die geschickt eingestreuten Briefings in der Zentrale und zwischendurch eingeschobene Tutorials, um neue Tools kennenzulernen, lassen einen schon glauben, das man mitten in einem Agentenfilm ist. Wenn es richtig spannend wird, läuft aber zu viel automatisch ab... evtl. mal eine Multiple-Choice Auswahl, das war es dann auch schon wieder.
Spannung:
Akzeptabel. Die Bösen sind böse und die guten sind gut. Hier und da mal überraschende Wendungen - aber Adventure-Freaks sehen das alles schon kommen - wir sind halt misstrauisch. Und das Ekelpaket in den eigenen Reihen muss dann ja auch der Verräter sein - schade, das gehört mit zu den Dingen, die besser sein könnten.
Vergleich:
Tja... so wahnsinnig viel gibt es da nicht. Höchstens noch mit "StarTrek - Elite Force". Die lieben Kollegen von www.gamesmania.de verglichen NOLF mit DeusEx - nee, dafür ist NOLF einfach nicht herausfordernd genug. Witzig ja und eigentlich aus einer ganz anderen Ecke, aber leider so überhaupt kein Vergleich.